Ich bin 34 Jahre alt und habe seit meiner frühen Kindheit Rheuma mit einem sehr schweren Verlauf. Ich war 8 Jahre in der Verwaltung tätig und bin seit ca. 4 Jahren in EU-Rente.

6 Jahre lang lebte ich mit einem nichtbehinderten Partner zusammen. Damals schränkte mich meine Krankheit jedoch noch nicht sehr ein und äusserlich war auch nicht viel zu sehen. Seit 1994 lebe ich allein und hatte einige kurze Beziehungen. Seit 1996 hat meine Krankheit einen starken Trend bergab gemacht. Ich hatte zahlreiche Operationen und sitze inzwischen (je nach täglichen Befinden) im Rollstuhl. Dadurch hat sich natürlich mein Leben sehr verändert.
Lange Zeit stand erst einmal im Vordergrund, mein Leben neu zu ordnen.

Parallel dazu fing auch eine Auseinandersetzung mit meiner neuen körperlichen Situation an. Ich fühlte mich nicht mehr als Frau und nicht mehr begehrenswert.

Ich konnte mir keine Partnerschaft und keinen Sex mehr vorstellen. Wer sollte mich noch anfassen wollen?! In dieser Zeit suchte ich sehr nach Lektüre, die mir weiterhelfen sollte, doch ich fand sie nicht. Mir wurde klar, dass die nichtbehinderte Gesellschaft mich für meinen Mut und meine Kraft achteten, aber mir auch jegliche Regung in Richtung Partnerschaft und Sexualität absprachen.

Ich bekam es auch im engsten Freundeskreis zu spüren. Ich war in ihren Augen zum Neutrum geworden.

Ich hinterfragte mich sehr oft, ob es eine Projektion meiner Gedanken sei. Wahrscheinlich beides zu einem gewissen Teil. In jedem Fall war diese Haltung natürlich für mein Selbstwertgefühl auch nicht gerade förderlich.

Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Ich kann mir eine Partnerschaft wieder vorstellen. Partnerschaft ist für mich eng mit Sexualiät gekoppelt. Denn für mich ist nur so eine erfüllte Sexualiät moeglich. Ich habe es auch anders versucht. Doch letztendlich diente es “nur” zur Triebbefriedigung. Das ist mir auf Dauer zu wenig.

Auf verschiedene Wege lerne ich immer wieder Männer kennen. Doch meist stellt sich sehr bald heraus, dass sie sich unterschätzt haben. Denn sie werden mit meiner Krankheit und den daraus resultierenden Problemen nicht fertig, bzw. möchten sich nicht näher damit befassen.

Dazu kommt, dass ich eine sehr selbstständige Frau bin, die weiss was sie will. Es kann sein, dass ich der Männerwelt manchmal zu stark erscheine. Das im Zusammenhang mit einer chronischen Krankheit scheint zu viel zu sein.

Früher gab ich oft viel meiner Persönlichkeit auf, um “geliebt” zu werden. Durch meine Biographie bin ich zum Glück sehr viel klüger geworden.

Trotzdem ist es schwer, einen deformierten Körper zu lieben, wenn einem das Gefühl ein ganz anderes Ideal eingibt. Aber ich denke, das ist eine lange Entwicklung dorthin und durchaus möglich.

Der Schlüssel zu guter Sexualität ist für mich in einem guten Gefühl für meinen Körper zu suchen. Anders ist das meines Erachtens nicht wirklich möglich. Doch das hat nun gar nichts mit einer Behinderung zu tun. Diese Einstellung täte “nichtbehinderten Menschen” auch ganz gut. Das Handicap macht vielleicht wahrhaftiger. Man muss sich viel näher einlassen. Sich über die Körperlichkeit hinwegsetzen.

Ich durfte diese Erfahrung vor einiger Zeit spüren. Ich lebte und erlebte nur den Augenblick. Und das machte mir meine innere Reife und die Möglichkeit bewusst. Wir leben doch als “Gesunde” meist eine ausgesprochen oberflächliche Sexualität.

Ich muss trotz allem immer meinen Körper und meine Bewegungen beim Sex kontrollieren, denn sehr viele Gelenke sind ausgesprochen schmerzhaft bei unbedachten Bewegungen. Das erschwert die Lage natürlich sehr. Aber es ist möglich und diese Möglichkeit sprach ich mir vor einiger Zeit noch ab, weil sie ausserhalb meines Vorstellungsfeldes war.

Ellen K.