Fühlen und Lieben von Andrea Mielke und Inge Plangger
Ich fühle, ich küsse, ich liebe…
Sexualität, Erotik, Sinnlichkeit im Kontext körperlicher Behinderung sind nicht nur Rechte jedes Menschseins, sondern Pflicht des Ganzseins.
Sind sie gut im Bett?
Wer diese Frage nicht mit einem spontanen „ja“ beantworten kann, ist sexuell out und kann allerhöchstens mit einem Intensivkurs „wie steigere ich meinen gut-im-Bett-Faktor“ retten was zu retten ist. Das jedenfalls könnte man meinen, wer die Überschriften in diversen Zeitschriften liest. Aber wer von uns lässt sich denn schon von den Medien oder anderen vorschreiben wie er oder sie sexuell glücklich werden kann? Jeder von uns hat seine eigenen Vorstellungen im Kopf und je nach Lebensart und Alter mehr oder weniger Erfahrung gesammelt.
In der Werbung werden Produkte durch erotische Symbole zweckentfremdet und sind als „Lifestyle“ sehr gut zu vermarkten. Nirgendwo gibt es ein Entrinnen vom Druck auf die Lust und jeder von uns, ob behindert oder nicht, ist den Primärreizen ausgesetzt. Behinderte Menschen aber können sich nicht so leicht bedienen und sind am freien Markt der sehnsuchtsvollen Herzen kein interessantes Objekt der Begierde. Zwangloses Kennen lernen und Ausprobieren ist in erster Linie nichtbehinderten Menschen vorbehalten, die sich gar keine Gedanken machen, wie leicht – oder auch manchmal schwer (die Qual der Wahl) – sie es doch haben.
Nicht nur gesellschaftliche Ignoranz führt dazu, dass behinderte Menschen oft keinen natürlichen Umgang mit Sexualität haben. Spontanaktionen sind aufgrund architektonischer Rahmenbedingungen schwer möglich, das Flirten wird vom Fahrtendienst unterbrochen. Rotbejackte Männer mit weißem Kreuz „führen“ einen aus dem Lokal ab. Man fühlt sich wie eine Gefangene oder Sterbenskranke. Diskriminierung pur! Wie soll da Frau oder Mann sich als begehrenswerte und attraktive Person empfinden, wenn man mit dem Stempel des Krankseins gleichgesetzt wird nur weil man eine Wegstrecke von a nach b bewältigen muss? Wie weiterflirten, wenn das Timing der Organisation oberste Priorität hat?
Selten sind Begegnungsmöglichkeiten im öffentlichen wie privaten Bereich barrierefrei. Wie komme ich wohin und kann ich überhaupt hinein? Welchen meiner Freunde kann ich in seiner Wohnung besuchen? Ist ihre Wohnung barrierefrei?
Im Zeitalter einer hochtechnisierten Welt und einem Lebensgefühl von „fast alles scheint möglich“, sollten dies nicht mehr die Hindernisse von Begegnungs- und Kontaktmöglichkeit sein. In einer Zeit wo Sexualität kein Tabu mehr ist und uns überall im Alltag begegnet, ob wir es wollen oder nicht, stellt sich die Frage, was ist sie überhaupt? Man könnte sagen: Sexualität ist das, was Menschen sich darunter vorstellen, oder was wir uns daraus machen.
Sie ist eine teure oder billige Ware, Mittel zur Fortpflanzung, Abwehr gegen Einsamkeit, eine Form der Kommunikation, ein Werkzeug der Aggression, der Herrschaft, der Macht, der Strafe und der Unterdrückung. Ein kurzweiliger Zeitvertreib, Liebe, Kunst, Schönheit, ein Grund zur Selbstachtung, eine Form der Zärtlichkeit, eine Art der Rebellion, eine Quelle der Freiheit, Pflicht, Vergnügen, Spiritualität, Vereinigung mit dem Universum, mystische Ekstase, Todeswunsch oder Todeserleben, ein Weg zum Frieden, eine juristische Streitsache, eine Technik, eine biologische Funktion, Ausdruck psychischer Gesundheit oder Krankheit oder einfach eine sinnliche Erfahrung…. Und was hat es mit dem hochgepriesenen Orgasmus auf sich? Was ist er? Was kann er? Was soll er uns sein und wie soll er sich anfühlen?
Nach Wilhelm Reich: Funktion des Orgasmus – die Orgasmusformel, besteht ein Orgasmus aus: ANSPANNUNG – AUFLADUNG – ENTLADUNG – ENTSPANNUNG. Mechanisch – wie eine mathematische Formel und vor allem das Ergebnis muss stimmen. Sei gut im Bett, schön zum präsentieren dann bist du in.
Wenn wir nun all diese Gedanken durch unseren Kopf wandern lassen und mit dem Begriff Behinderung paaren, was sind dann die ersten Assoziationen, wenn sich die Komponenten Sexualität & Behinderung zu einem Gedankenstrang verbinden?
„Geht das überhaupt?… Hab ich noch nie probiert, aber könnte ich mir vorstellen… Auf gar keinen Fall!… Vielleicht eine interessante Erfahrung… Ich bin ja nicht von der Caritas!… Spüren die überhaupt was beim Sex?… Nein, das wäre mir zu stressig… Warum nicht, wäre mal was anderes… Was mache ich, wenn ich die nicht mehr los werde?… Ich will mal Kinder und ich weiß nicht ob… Ist mir viel zu viel Verantwortung… Gehen sollte er schon können… Behindert bin ich selbst… Ja, da habe ich schon mal was im Kino gesehen…“ Nach wie vor sind es die „Schönen“ und „Makellosen“, die Funktionstüchtigen die wir besonders schätzen, die wir mit Gesundheit und Lust assoziieren, denen wir hinterher hecheln, manche von uns mehr, manche weniger erfolgreich.
Körperlichkeit, Sinnlichkeit, Erotik und Sexualität sind vitale Ausdrucksmöglichkeiten und Eindrücke im menschlichen Leben die sehr viel mit Genießen, Austausch und Lebendigkeit zu tun haben. Wenn diese mit Behinderung, Bewegungslosigkeit, Abhängigkeit und Andersartigkeit gepaart sind, passen sie scheinbar nicht mehr in unser Bild von Lust und Leidenschaft und befremden, machen Angst und Erzeugen Ablehnung, Aussonderung und Diskriminierung.
Somit werden Menschen mit Behinderung immer noch als geschlechtslose Wesen betrachtet und als asexuelle Personen im Lebensalltag wahrgenommen. Sehr schön demonstriert sich diese Tatsache an der gängigen Toiletteneinteilung für Damen, Herren und Behinderte. Natürlich kann man nun über den technischbaulichen und finanziellen Aspekt dieser Dreiteilung diskutieren, dennoch zeigt er auf subtile und doch sehr eindrückliche Weise wie der behinderte Mensch in seiner Geschlechtlichkeit im öffentlichen Raum gesehen wird.
Der behinderte Mensch passt nicht in das von Medien verbreitete und konservierte Bild einer Person mit erotischer Ausstrahlung. Er erfüllt nicht die Auswahlkriterien einer sexuell attraktiven und begehrenswerten Person und wenn ihnen großzügig so etwas wie sexuelle Empfindungen zugestanden werden, dann möchte der sogenannte nichtbehinderte Mensch als Sexualpartner aber bitte verschont bleiben. Für Menschen mit Behinderung gibt es, was Sexualität und Erotik betrifft, keine sozialen Orientierungshilfen oder positive Rollenbilder.
Eltern, Betreuer, Lehrer, fast alle (leider nur sehr wenige Ausnahmen bestätigen die Regel) versuchen so lange es nur irgendwie geht, die Kindheitssituation aufrechtzuerhalten und glauben damit den beginnenden Fragen von Liebesfähigkeit, Sexualität und Partnerschaft, die Antworten suchen, aus dem Weg gehen zu können. Die Schönheitsnormen und die damit verbundenen Darstellungen haben stark ausgrenzenden Charakter. Erotik und Sexualität sind demnach nicht vorgesehen für viele Gruppen von Menschen: Dicke, Kranke, behinderte Menschen und ältere Frauen. In einer Gesellschaft zu leben die Maßstäbe von Weiblichkeit, Attraktivität, Sinnlichkeit und Erotik so setzt, dass fast keine, oder nur sehr, sehr wenige Frauen sie erreichen können, schließt Frauen mit Behinderung zur Gänze aus. Sie kommen nicht einmal in die engere Wahl dazuzugehören.
In vielen Gesprächen mit behinderten Frauen erfuhr und erlebte ich, dass es allen, egal wie schwer oder leicht die sichtbare Behinderung ist, auf ähnliche Weise ergeht. Viel Schmerz, Trauer und Wut wird dabei sichtbar und oft gelingt es nur durch einen einsamen und kämpferischen Weg ein Selbstbild als Frau für sich zu entwerfen. Frau mit Behinderung erfährt somit doppelte Diskriminierung.
So ist es für viele heute noch immer unvorstellbar, dass behinderte Frauen auch Mütter sein können und wollen, auch wenn sie selbst auf persönlicher Assistenz im Alltag angewiesen sind. Behinderten Männern traut man im Gegensatz dazu eher eine Vaterschaft zu, weil in den Augen vieler Menschen, die Kinder- und Erziehungsarbeit vorwiegend von (nichtbehinderten) Frauen gemacht wird. Auch wurde in mehreren Untersuchungen bestätigt, dass behinderte Frauen wesentlich seltener einen Lebenspartner finden als behinderte Männer. In der Paar-Konstellation behinderter Mann und nichtbehinderte Frau, scheint unsere Gesellschaft mehr akzeptable und gängige Rollenbilder vorzuweisen, als umgekehrt. So sollte eine Frau ohnehin die Rolle als treue Ehefrau, sorgende Mutter, perfekte Haushälterin, geistreiche Gesprächspartnerin, Managerin, Krankenschwester und attraktiv-hinreißende Geliebte in einer Person verkörpern.
Meine Sozialisation als Frau gab es somit nicht und ich musste mich ganz alleine auf den schweren Weg machen mein Frausein, mit meinen Möglichkeiten, für mich zu suchen und finden. Es war ein oft schmerzlicher Weg mit vielen enttäuschenden Erfahrungen, vielen Verliebtheiten und immer wieder männlicher Ablehnung. Ablehnung und somit auch Abwertung, letztlich Diskriminierung, weil ich mit dem notwendigen Elektro-Rollstuhl, als eindeutig sichtbares Merkmal, eine bedürftige und behinderte Frau, die bewegungsunfähig und abhängig ist, die „Krankheit“ sichtbar macht, verkörpere und darstelle. Das macht Männern Angst und befremdet und Gedanken an Weiblichkeit und Sinnlichkeit sind weit entfernt.
Das körperliche und geistige Anderssein eines Menschen mit einer Behinderung beinhaltet ein Element der Fremdheit und Angst und setzt die gültigen Spielregeln außer Kraft. Verunsicherung und Befremdung bestimmen den zwischenmenschlichen Kontakt. Das führt zu Gefühlen von Peinlichkeit und Unbehagen auf beiden Seiten. Hinzu kommen Probleme bei der Interaktion zwischen Menschen die zu Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten führen können. Es ist an die vielen Vorurteile und Probleme zu denken, die Menschen mit Behinderungen entgegengebracht werden. Im Blickfeld und in der Betrachtungsweise werden Menschen mit Behinderungen sehr leicht nur auf ihre Beeinträchtigung reduziert. Wenn von einer Behinderung die Rede ist, dann werden damit in der Regel Hilflosigkeit, Defizite, Schwächen und Schädigungen verbunden. Positive Assoziationen sind sehr selten. Das Problem Sexualität-Behinderung-Integration ist also ein zwischenmenschliches. Soziale Integration behinderter Menschen – auch im Bereich Sexualität – darf jedoch nicht bedeuten, dass Menschen mit Behinderung sich ausschließlich an der Norm der Nichtbehinderten orientieren und an diese angleichen müssen.
Was sind nun aber die Einflüsse und Rahmenbedingungen, die eine normale Entwicklung und Entfaltung von Sexualität bei Menschen mit Behinderungen erschweren und manchmal sogar ganz verhindern? Da wären zunächst einmal die politischen wie gesellschaftlichen Strukturen: Hospitalismus, Heimunterbringung und Ausgrenzung auf vielen Ebenen. Behinderte Menschen leben oftmals in einem Sonderkreislauf – Sonderkindergärten, Sonderschulen, besonders geschützte Arbeitsplätze, gesonderte Wohnformen und der Sonderfahrtendienst bieten die aussondernde Lebenseinstellung im Alltag. Hier würde es als runden Abschluss nur mehr an der Schaffung eines Sonderfriedhofes fehlen um den Kreis zu schließen. Diskussionen über wertes und unwertes Leben, Kosten-Nutzen-Rechnungen sind keine gute Grundlage um über Sexualität und Behinderung zu sprechen. Hier geht es nicht um ein gegenseitig bereicherndes Miteinander, hier geht es ums Überleben und um Fragen der Existenzberechtigung. Solange ich um meine Grundrechte kämpfen muss, brauche ich an Sex nicht einmal zu denken. Erotik, Sexualität und Liebe leben aber von gegenseitiger Achtung, Offenheit und wechselseitigem Verstehen. Sie können sich in einem repressiven Rahmen kaum entwickeln. Aber auch auf der Grundlage gesellschaftlicher Strukturen, in denen die Wahrnehmung von behinderten Menschen auf die Kategorie nutzlose, belastende, bedauernswerte Geschöpfe reduziert ist, enthält der Gedanke an Sexualität einen merkwürdigen Beigeschmack. Anders in einem Gesellschaftssystem, in welchem Integration von Menschen mit Behinderung angestrebt und im Sinne der Betroffenen umgesetzt wird: wo bereits im Vorschul- und Schulbereich Begegnungsräume geschaffen werden, Ausbildungsmöglichkeiten und vor allem berufliche Chancen für behinderte Menschen auch tatsächlich bestehen, wo sich jeder in der Stadt barrierefrei bewegen kann und nicht von Sonderdiensten abhängig ist, wo genug Geldmittel zur Realisierung einer freigewählten und selbstbestimmten Lebensform mit – wenn nötig persönlicher Assistenz rund um die Uhr – vorhanden sind. Dort entsteht auch der Raum und der Boden für gegenseitige Anziehung jeglicher Art – sexuelle selbstverständlich eingeschlossen.
Bedingungen haben natürlich eine Auswirkung auf die Sozialisation und Erziehung von behinderten Menschen und deren Familien. Oftmals ist die geschlechtsspezifische Erziehung von behinderten Kindern und Jugendlichen eher angstbesetzt oder findet halbherzig oder gar nicht statt. Spätere Freundschaften, Liebesbeziehungen, Partnerschaften, Heirat, Kinder, Hausbau, Karriere etc. sind kein Thema. Solche Zukunftsperspektiven werden nicht in Betracht gezogen und zum Teil werden behinderte Heranwachsende nicht mal aufgeklärt. Wenn die Erwägung oder die Möglichkeit einer späteren Partnerschaft und Beziehung niemals verbal angeklungen ist und sei es auch nur in banalen Alltagsbemerkungen wie: „deine Frau wird es mal schwer mit dir haben“ oder „na warte nur, bis du selbst einmal Kinder hast“, sondern sich im Gegensatz dazu negative Äußerungen breit machen: „du kannst nicht wählerisch sein, du musst froh sein, wenn du überhaupt einen abbekommst“ oder „wozu ein neues Kleid anziehen, dich schaut ja eh keiner an“ ist es nur allzu verständlich, dass sich ein positives Bild von einem selbst kaum entwickeln kann. Diese Prophezeiungen können einen permanent zwingenden Charakter haben. Es ist schwer ihnen zu entrinnen.
Letztendlich ist natürlich die aktuelle persönliche Situation eines Menschen mit Behinderung wichtig für die Umsetzungsmöglichkeiten und Gestaltung von Sexualität, Beziehung und Partnerschaft. Pflege und Erotik muss strengstens getrennt sein, um eine beidseitige Begehrlichkeit aufrechtzuerhalten. Wer seinen Partner waschen, abtrocknen, anziehen, frisieren muss, der kann ihn unmöglich in einem autonomen Lustbereich wahrnehmen. Hier erhält persönliche Assistenz noch einen höheren Stellenwert den sie ohnehin schon hat.
Dazu gehören materielle Voraussetzungen wie bereits erwähnt: Ausbildung, Arbeit, Wohnraum, Assistenz und Bewegungsfreiheit im öffentlichen Leben. All diese Bedingungen sind in ihrer sozialen Auswirkung sehr wichtig für das Selbstwertgefühl, Zufriedenheit mit sich selbst und die Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen Bedeutung. Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit sowie Selbstschätzung bilden die Basis dafür, dass jemand in der Lage ist, Chancen zu erkennen und zu ergreifen und sich selbst auch gestaltend einzubringen. Sie sind wichtig um aus einer passiven Opferhaltung herauszufinden hin zu einem mündigen und selbstbestimmten Menschen.
Zur Selbstbestimmung schreibt Elisabeth Löffler in einem Artikel: „Selbst zu bestimmen, wer dich wann, wie und wo berühren darf. Spätestens in der Pubertät lässt es sich nicht mehr leugnen: unser Körper ist anders. Wir sind anders. Die Burschen wollen nur reden, die Mädchen sehen in uns keine wirkliche Gefahr im Kampf um die Gunst eines potentiellen Sexualpartners und die Erwachsenen bemühen sich, dir zu versichern, dass es auf die inneren Werte ankommt. Scheiße, denkst du, ich will ficken! Das ist ein Anfang. Das war meiner. Damit begann ein mühevoller, schmerzhafter und oft auch zorniger Weg zu meinem Körper. Von entscheidender Bedeutung war die Teilnahme an verschiedenen Workshops mit den Themen Behinderung und Sexualität oder Behinderung und Partnerschaft, mit Kursleitern, die neben ihrer Funktion aus ausgebildete Berater selbst Betroffene sind, sowie der Erfahrungsaustausch mit den anderen Teilnehmern. Ich habe eine Psychotherapie begonnen, ließ mich viel massieren und vor allem begann ich professionell zu tanzen. Doch was das Wichtigste ist: ich habe geredet, geredet, geredet, geweint, geflucht und gevögelt, ich war unvorsichtig und ich hatte Angst. Doch zum erstenmal erlebte ich meinen Körper als Teil meiner Person. Als etwas, an dem nicht nur kritisiert, korrigiert und operiert wird, sondern als Körper, der Lust empfangen und bereiten kann. Als Frau, die sich dieses positive Grundgefühl immer und immer wieder neu erkämpfen muss und will.“
Ein eigenes Körperschema finden ist ein wichtiger Aspekt dabei, den Kreislauf defizitärer Zuschreibungen zu durchbrechen und zum Teil die selbst mitaufgerichteten Gefängnismauern abzubauen, damit Platz für neue Erfahrungen geschaffen werden kann. Dabei sind andere Werte und Maßstäbe zu finden und zu entwickeln, die Menschen mit Behinderungen auch gerecht werden. Sie müssen die sich ständig wandelnde Definition von Ästhetik mitgestalten, ihren eigenen Zugang zu Sexualität und Erotik finden und dabei zu dem stehen, wer sie sind und was sie sind. Sie müssen mutig sein, sie müssen wagen und sie müssen wollen. Sie müssen aber zunächst sich selbst geben, was nichtbehinderte Menschen in diesem Spiel der Erotik so anziehend macht: eine gewisse Portion Selbstliebe, Freude an sich selbst, narzisstischer Stolz und das Bewusstsein, etwas wert zu sein.